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Martinigans und Gänsefett rehabilitiert

Öfters als einmal im Jahr darf sie selten auf der Speisekarte stehen.  Viel zu fett, zu üppig und überhaupt viel zu viele Kalorien. Die Gans. Kaum ein anderes Festtagsgericht löst so viel schlechtes Gewissen aus wie der Gänsebraten. Ist das Gänsefett wirklich so böse? Der ernährungstechnische Supergau? Oder haben wir uns jahrelang getäuscht und die Gans überrascht uns womöglich mit gesundheitlichen Nährwerten? Blicken wir dazu doch einmal einige Jahrzehnte zurück und wenden uns der Geschichte des Fettes im Allgemeinen zu.

Fett war nicht immer böse

Die Geschichte vom Fett ähnelt einem dramatischen Roman, indem das vielgeliebte Kind plötzlich – weil zum Bösewicht mutiert – verstoßen wird, um dann Jahre später – rehabilitiert – wieder in den Kreis der Familie aufgenommen zu werden.

Ursprünglich wurden fette Speisen hoch geschätzt, denn sie sicherten das Überleben. Sie machten satt und dienten als perfekter Geschmacksverstärker. Nur leider gab es sie eben nicht im Überfluss, sondern erfreuten an Sonn- und Feiertagen den Gaumen der Familienmitglieder. Mit wachsendem Wohlstand hielt Fett dann öfter Einzug in den täglichen Ernährungsplan. (Mit ihm allerdings auch weitere bis dato rare Nahrungsmittel, wie Zucker oder industriell gefertigte Produkte….)

Fett als Auslöser für Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen?

Der gesundheitliche Zustand der Bevölkerung ließ gleichzeitig plötzlich zu wünschen übrig. Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen häuften sich. In dieser Zeit wurden die ersten Anti-Fett-Studien veröffentlicht, die einen angeblichen Zusammenhang zwischen Fett und eben diesen Erkrankungen belegen sollten. Schnell war damit der Übertäter identifiziert. Prüft man die Studien heute hinsichtlich Studiendesign und Datenlage, stellt man fest, dass ein Großteil der damaligen Studien nicht mehr den heuten Ansprüchen genügen würden und als Studie glatt durchfallen würden. Vor allem auch der Zusammenhang mit anderen Lebensmitteln, die zwangläufig gemeinsam mit Fett konsumiert werden, wurde ausgeblendet. Dem Fett war aber inzwischen längst der Stempel als Bösewicht aufgedrückt und ließ sich viele Jahrzehnte auch nicht mehr lösen.

Ein Sinneswandel tritt ein…

Irgendwann kam man drauf, dass es innerhalb der Fette auch sogenannte „gute Fette“ oder „Fitmacher-Fette“ gibt, welche sich auf das Herz-Kreislauf-System sogar positiv auswirken. Der Hype um Olivenöl (die guten einfach ungesättigten Fettsäuren) und Lachs (die so seltenen und wichtigen Omega-3 Fettsäuren) beginnt. Jetzt stehen Zucker und Weißmehl plötzlich auf der roten Liste.

Fettsäuren im Gänsefett

Und die Gans? Der gesundheitsbewusste Genießer macht immer noch einen Bogen darum. Quasi nach dem Motto „Sicher ist Sicher“ und eine Gans kann einfach nicht gesund sein. Werfen wir doch einen Blick auf Fettsäurezusammensetzung von Gänsefett. Große Überraschung. Das Gänsefett besteht zu fast 60% aus einfach ungesättigten Fettsäuren. Die gleichen Fettsäuren, die das Olivenöl zum Superstar unter den Fetten krönten. Handelt es sich um eine Weidegans, deren Speiseplan aus Käfern, Schnecken und Würmern und nicht aus Maisbrei besteht, dann lassen sich sogar beachtliche 11% mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie Omega-3, identifizieren. Bleibt noch ein Anteil von ca. 29% an gesättigten Fettsäuren. Immerhin die müssen böse sein, oder?

Martinigans Sous-Vide

Gänsefett im Blick: die Sous-vide gegarte Martinigans auf dem Prüfstand

Prinzipiell ist es einmal so, dass gesättigte Fettsäuren dem Körper als so genanntes Brennfett dienen (im Gegensatz zu den ungesättigten, die als Bau- und Strukturfett ihren Einsatzbereich haben). Das bedeutet nichts anderes als: solange ich die Kalorien aus diesem Brennfett auch verbrenne, ist alles gut und mein Gewicht bleibt stabil. Lediglich ein Überschuss wird als Depotfett eingelagert. Ob es aber einen wirklichen Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauferkrankungen und dem Konsum von gesättigten Fettsäuren gibt, wird in Fachkreisen zunehmend in Frage gestellt.

Noch mehr Vorteile

Die gesundheitlichen Vorteile von Gänseschmalz wussten offensichtlich schon die alten Römer zu schätzen und nutzten sie für medizinische Zwecke zur inneren und äußeren Anwendung. Auch heute noch gelten Gänseschmalzwickel als Hausmittel bei angehenden Erkältungskrankheiten. Dafür verantwortlich ist die sogenannte Palmitoleinsäure, die u.a. antimikrobiell wirkt.

Gegenüber Olivenöl bietet Gänseschmalz einen entscheidenden Vorteil. Es ist nahezu unverwüstlich und kann auf über 200 Grad erhitzt werden, ohne dass sich schädliche Transfettsäuren bilden. Ein ideales Fett zum Anbraten also.

Fett gut, alles gut.

Sich vor der Gans zu fürchten oder mit schlechtem Gewissen aus dem Martinigansl-Essen zu gehen, ist auf jeden Fall einmal fehl am Platz. Die Kalorienanzahl ist mit 350 pro 100g Gans sicherlich hoch, so dass eine Laufrunde nach der Schlemmermahlzeit sicherlich nie verkehrt ist. Überdenken sollte man vielleicht die jeweiligen Beilagen zum Gänsebraten. Denn gerade die Kombination von schnellen Kohlenhydraten und Fett hat es in sich. Meine Empfehlung: lieber ein Löffel mehr Rotkohl und weniger Knödel und dem gesunden Genuss steht nichts mehr im Weg.

Bleibt nur noch die Frage nach der richtigen Zubereitung, denn die kann ganz schön aufwändig werden. Immerhin dauert es mehrere Stunden bis eine ganze Gans im Ofen fertig ist. Ich bin daher seit einiger Zeit ein großer Fan von Sous-Vide vorgegarten Produkten geworden. Die Firma Rotwild und Frischling, aber auch Meat and Eat by Jules (Julian Grössinger) bieten hier tolle Möglichkeiten an, damit die Gans ruckzuck fertig ist.  Neugierig geworden? Dann gönnt Euch doch erstmal mein Video dazu, bevor Ihr Euch das nächste Martinigansl schmecken lasst!