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Lang hat’s gedauert, doch schlussendlich konnten die Mitglieder der EU-Kommission nicht mehr aus und beschlossen am 15.11.11 die Zulassung von Stevia zum Süßen von Lebensmitteln. Freilich wurde nicht die Pflanze als solche zugelassen, sondern nur der daraus gewonnene Süßstoff Stevioglycosid, aber immerhin. Seit fast einem Jahr liegen die Studien, die eine Unbedenklichkeit von Stevia hinsichtlich Krebserregbarkeit oder möglicher Fruchtbarkeitsstörungen bescheinigen vor. Die Zucker- und Süßstoffindustrie hat lange gekämpft um die Zulassung trotzdem hinaus zu zögern. Endlich ein kleiner Sieg der Anhänger der süßen Pflanze aus Paraguay.

Ein bisschen Stevia Nachhilfe

Nochmal zu Erinnerung:
Die Blätter der Steviapflanze (Stevia Rebaudiana) enthalten sog. Stevioside, die bis zu 300mal süßer als Zucker sind. Daher auch der deutsche Name Süßkraut. Stevia enthält keine Kalorien und hat keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Die Ureinwohner süßten damit schon vor Jahrhunderten ihren Matetee.

Coca Cola und Co in den Startlöchern

Die großen Lebensmittelkonzerne stehen in der Zwischenzeit in den Startlöchern. Bei Coca Cola, Red Bull & Co. liegen die Patente für steviagesüßte Getränke schon längst in der Schublade. Noch im Dezember, spätestens Anfang nächsten Jahres werden die ersten Produkte auf dem Markt erwartet.

Tricks bei Dosierung und Geschmack von Stevia

Ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt: Stevia ist höchst schwierig zu dosieren, riecht ab und an nach Reformhaus und hinterlässt bei falscher Dosierung schnell mal einen unangenehmen Nachgeschmack. Auch daran wird gearbeitet. Anscheinend ist ein „Markierungssystem“ in Arbeit, das „unangenehme Nebengeschmäcker“ von Stevia ausschalten soll. Daran arbeitet wohl zumindest der Holzmindener Aromenhersteller Symrise. Also doch wieder nichts ganz Natürliches.
Für den Konsumenten bedeutet das also in Zukunft: wieder mal genau auf’s Etikett schauen. Nur weil Produkte mit Stevia statt mit „normalem“ Süßstoff gesüßt sind, heißt das noch lange nicht, dass sie gesünder sind.

Der Grundansatz aus einer natürlichen Pflanze eine Süßungsmöglichkeit zu entwickeln, ist trotzdem zu begrüßen. Wir sind gespannt was der Markt uns in Zukunft hier zu bieten hat. Ich werde mir trotzdem das kleine Pflänzchen im Frühjahr wieder selbst ins Gartenbeet setzen. Ein paar Blätter für den Eistee oder in den Salat und vielleicht experimentiere ich ja auch mal mit einer Art Steviasirup. Da weiß man zumindest ganz sicher, was drin ist.

Quelle:
http://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/news/stevia-super-suessstoff-vor-zulassung_aid_469277.html

http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/48039/Bruessel_erlaubt_Suessungsmittel_Stevia_in_Lebensmitteln.htm

Wie zaubern Spitzenköche aus einer Kiwi einen tollen Dessert-Schaum und man selbst schafft es nicht einmal die mühsam aufgeschäumte Kürbiscremesuppe von der Küche bis zum Esstisch zu retten? Das Geheimnis: Spitzenköche arbeiten mit Spezialeffekten, bei denen Filmemacher vor Neid erblassen würden. Molekularküche heißt das Zauberwort. Hier werden Kenntnisse aus Physik und Chemie gezielt eingesetzt, um Lebensmitteln ungewöhnliche Farben und Formen zu verleihen.

Mein Zugang zur Molekularküche war bisher äußerst bescheiden, doch jetzt musste mich für eine Fernsehsendung gezielt auf dieses Thema vorbereiten. Im Gastronomiehandel finde ich einen Baukastenkast für Anfänger. Beim Auspacken wird mir schnell klar: das erinnert an Chemieunterricht. Meßbecher, Kanülen, Aufziehspritzen und sechs Dosen mit ominösen Pulvern stehen vor mir. Der erste Versuch – ein luftiger Schaum aus Himbeersaft- scheitert kläglich. Vielleicht war mein kleiner Milchschäumer einfach nicht stark genug…

Nächster Versuch: Kaviarperlen aus Mangosaft. Inzwischen stehen schon einige gefühlte Schweißperlen auf meiner Stirn. Aus Natrium-Alginat und Mangosaft mische ich eine zähe Masse. Hier schafft der Milchschäumer keine fünf Umdrehungen mehr und ich muss auf den Pürierstab ausweichen. Immerhin: das funktioniert. Genauso wie die Calciumlösung in der das Natrium-Alginat sich verkapseln und zu kleinen Perlen formen soll. Dazu ziehe die nun wirklich klebrige Mangomasse mit einer Spritze auf und lasse kleine Tröpfchen in die Schüssel gleiten. Es funktioniert! Völlig begeistert blicke ich auf die kaviarähnlichen gelben Perlen, die tatsächlich im Mund zerplatzen und eine Art Geschmacksexplosion auslösen.
Völlig euphorisch der letzte Versuch. Ich nenne ihn „Schwebende Kräuter“. Damit Petersilie & Co. im Olivenöldressing nicht absinken, kommt ein Verdickungsmittel aus Guar Gum zum Einsatz. Und hier schließt sich der Kreis zwischen Lebensmittelindustrie und Haushalt. Denn die Industrie arbeitet genau mit diesen Tricks um im Supermarkt ansehnliche Fertigprodukte präsentieren zu können.
Nach 2 ½ Chemiestunden beende ich meine Versuchsreihe und starte die Entsorgung. Aus Angst mein Abluss könnte mit den zähen Flüssigkeiten verstopfen, entsorge ich alles über den Müll. Unweigerlich taucht vor meinen Augen das Bild meines Körpers als System von vielen Ver-und Entsorgungskanälen auf. Möchte ich meinem Stoffwechsel mehr zumuten als meinem Abfluss? Das werde ich beim nächsten Besuch in der gehobenen Gastronomie entscheiden.

Mein Fazit:
Gesund kann man die Molekularküche zwar nicht nennen, doch ein positiver Effekt ist nicht zu leugnen: Mahlzeiten werden als Erlebnis inszeniert und damit wesentlich langsamer und bewusster genossen als es wohl meistens der Fall ist. Die Sache einmal daheim auszuprobieren – vielleicht mit ein paar befreundeten Hobby-Köchen- lohnt sich. Denn niemals gelingt einem der Blick hinter die Kulissen der (künstlichen) Lebensmittelwelt so gut wie hier.

Übrigens:
In der Sendung funktionierten meine Mangoperlen nicht so gut wie daheim. Trotzdem gehörte dieser Talk zu einem der lustigsten in meiner „Fernsehgeschichte“. Er wurde übrigens voraufgezeichnet und wird am 25.November um 18.30 Uhr auf Servus TV in der Sendung „Gut Leben“ gesendet.