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Endlich  geht es los. 5 Monate Training. Verletzungen, Therapie… jetzt will ich starten. Wir sind beim Blue Start, Sektor 2. Die Elite befindet sich nur einige Meter vor uns. Der Anfang ist relativ unspektakulär. Keine Fanfare (oder hab ich die in der Aufregung überhört?), keine Hymne und auch einen Startschuss kann ich nicht vernehmen. Christian und ich laufen gemeinsam. Die ersten Kilometer spürt man regelrecht den Sog der Masse. Bloß nicht überpacen, heißt es jetzt. Gar nicht so einfach, wenn rechts und links die Zuschauer schreien und jubeln. Und das wird von Meter zu Meter mehr. Spätestens jetzt mach sich unser Laufshirt mit Namen bezahlt. „Come on, Conny, you’re looking good, go on!“ brüllt einer ins Ohr. Gleich werde ich schneller, Christian pfeift mich zurück.

Während der ersten 20 Kilometer denke ich mir: „Das ist das geilste, was Du je in deinem Leben gemacht hast!“ Als wir um die Ecke biegen und die Tower Bridge vor uns auftaucht, stockt mir fast der Atem. Wow! Die Lautstärke der Fans ist ohrenbetäubend.

Eine koordinative Herausforderung sind die Trinkstationen. Nachdem man sich durch die Läufer an den Rand gekämpft hat, gilt es eine der Flaschen zu erwischen. Dann wieder ab in die Mitte um nicht über halbleere, am Boden liegende Flaschen zu stolpern. Den Verschluss öffnen, ein paar Schluck trinken und dann kommt das Beste. Man darf die Flasche einfach an den Rand schmeißen. Hat irgendwie was. Allerdings fliegen einem diese Wurfgeschoße ständig um die Ohren oder besser um die Beine.
Vier Multipower Gels habe ich eingesteckt. Beim erstenmal geht das Timing schon mal daneben, denn die erhoffte Trinkstation lässt auf sich warten. Mir rinnt das klebrige Gel über Gesicht und Hände. Mein erster Gedanke: super, und wenn jetzt ein Foto gemacht wird, sehe ich aus wie ein Kleinkind mit verschmiertem Mund. Man hat komische Gedanken während so eines Marathons.

Jede Menge Bands sorgen dafür, dass die Stimmung gut und der ipod überflüssig bleibt . Eine kurze Strecke lang kommen uns die weltbesten Läufer entgegen. Einen kurzen Blick auf den Sieger konnten wir gerade noch erhaschen.

Jetzt ist Halbzeit.

Ach ja, an dieser Stelle kann ich ja endlich meine geplante Zielzeit verraten: unter 4 Stunden hatte ich mir vorgenommen. Jetzt merke ich, es ist zwar anstrengend, aber es könnte sich ausgehen. Wir sind gut in der Zeit. In diesem Moment schlägt die Sonne zu. Es wird richtig heiß und ich bin froh über mein Kapperl. Meine Wunderbrille ist natürlich auch mit dabei. Danke Gerhard an dieser Stelle! Außerdem meldet sich mein Oberschenkel. Einen Marathon zu laufen ist wie ein Leben – es gibt Tiefs, aber darauf folgen auch wieder Hochs. Erst gestern noch gehört. Jetzt hilft mir diese Erkenntnis weiterzumachen.
Gleich durchlaufe ich die magischen 3 Stunden. Die große Unbekannte, da im Training ja nie länger gelaufen wird. Ich stelle fest: Ich laufe noch und es geht. In London werden die Distanzen ja in Meilen angegeben, und das ist gut. Only 7 miles left, klingt irgendwie motivierender als noch 11 km laufen zu müssen. Immerhin schon einstellig! Aber diese letzten Meilen haben es doch noch in sich. Keep on smiling, sage ich mir. Vor mir Big Ben und Westminster Abbey. Das Ziel ist beim Buckingham Palace., den sehe ich noch nicht…. Noch 800m (immer noch!), noch 600m (das müssten doch schon weniger sein!), 200m (immer noch kein Ziel zu sehen!). Ich biege um die Ecke und sehe vor mir das rote Tor (es will einfach nicht näher kommen) und schließlich: I am a Virgin London Marathon Finisher!
Ich habe zwar nicht das Glück wie Günter von Richard Branson persönlich begrüßt zu werden, aber das Gefühl ist ein Wahnsinn. Leider viel zu kurz, denn gleich warten emsige Mitarbeiter und schleusen einen durch das Finisher-Prozedere. Dann endlich: die Medaille. Juhu, ich hab’s geschafft!! Meine Zielzeit: 3 Stunden 51 Minuen. Das sind durchschnittlich 11 km/h. Und eines weiß ich heute schon: wenn ich mich nächste Woche aufs Laufband stelle und 11 km/h einstelle, kann ich mir nicht vorstellen dieses Tempo fast 4 Stunden durchzulaufen!

Sonntagmorgen. Schneeregen. Um 10 Uhr geht der Schnee komplett in Regen über. Jetzt schüttet es. Nicht dass ich nicht gern bei Regen laufen würde, im Gegenteil. Am liebsten laufe ich bei leicht nieselndem Wetter, ganz nach dem Motto: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Danach fühlt man sich frisch und hat den Kopf noch freier als nach einem normalen Lauf. Aber heute schüttet es aus Kübeln und kalt ist es noch dazu. Doch es hilft nichts. Sonntag ist der einzige Tag an dem ein langer Lauf möglich ist. Rein in die Laufsachen. Immerhin habe ich mir vor zwei Tagen MEINE Marathonschuhe gekauft. Der sehr nette Verkäufer hatte mir spezielle Einlagen empfohlen und als nette Einkäuferin nehme ich solche Ratschläge gern an. Ein Fehler, denn beim Einlaufen der Schuhe zeigt sich nach 60 Minuten die erste Blase. Die Einlagen bleiben heute also daheim. Dank dieser tollen Blasenpflaster komme ich schmerzfrei über den 2 ½ Stunden-Lauf hinweg. Ich fühle mich zwar mindestens ein Kilo an Regenwasser schwerer, bin aber trotzdem froh mich überwunden zu haben. Außerdem war es gar nicht so schlimm. Nur ein bisschen einsam. Denn wirklich viele Leute habe ich heute nicht getroffen. Ein paar Hundebesitzer. Wobei man an solchen Tagen wahrlich keinen Hund vor die Tür jagen sollte.